März 2006: Strahlenunfall am Standort Sterigenics (Fleurus)
Am 31. März 2006 wurde die FANK über einen Strahlenunfall informiert, der sich am 11. März 2006 am Standort von Sterigenics in Fleurus ereignete. Ein Betriebsmitarbeiter hielt sich für etwa zwanzig Sekunden in einer Bestrahlungseinheit auf, in der keine Produktion lief. Nach verschiedenen Symptomen (Erbrechen, Haarausfall), die auf eine Verstrahlung hindeuteten, verständigte er seinen Betriebsarzt etwa drei Wochen später. Die von dem Bediener aufgenommene Dosis war sehr hoch und lag Schätzungen zufolge zwischen 4,4 und 4,8 Gray.
Sterigenics und seine Bestrahlungstechniken
Sterigenics ist ein im Bereich der Sterilisation medizinischer Geräte und der Nahrungsmittelsterilisation tätiges Unternehmen. Diese Einrichtung verfügt über zwei Bestrahlungsgeräte, die von radioaktiven Kobalt-60-Quellen emittierte Gammastrahlen verwenden.
Die radioaktiven Kobalt-60-Quellen sind in Bestrahlungseinheiten untergebracht, deren Betonwände eine Dicke von zwei Metern haben und während des Betriebs des jeweiligen Bestrahlungsgeräts für die Abschirmung der Strahlung sorgen. Während einer Bestrahlung sind die Zugangstüren zur Einheit geschlossen und verriegelt. Niemand kann die Einheit betreten.
Läuft keine Produktion, werden diese Quellen bis auf den Boden eines Wasserbeckens mit einer Tiefe von 5 bis 6 Metern abgesenkt. Das Wasser sorgt für eine biologische Abschirmung der Strahlung, sodass Betriebsmitarbeiter die Zelle betreten können, um Wartungsarbeiten durchzuführen oder notwendige Eingriffe vorzunehmen. Ein Strahlungsdetektor im Inneren des Bunkers zeigt an, dass der Bunker frei von Strahlung ist, um die Sicherheit des Mitarbeiters, der den Bunker betritt, zu gewährleisten.
Folgen für die Betriebsmitarbeiter
Am 11. März 2006 wurde ein diensthabender Mitarbeiter von einem Kollegen vor Ort wegen eines Alarms auf der Ebene der Radioaktivitätsdetektoren außerhalb der Einheit des Bestrahlungsgeräts GAMMIR II gerufen, während keine Produktion lief. Er quittierte diese Alarme und stellte nicht Ungewöhnliches fest. Die Bleitür war offen, und das Sicherheitsverfahren sieht vor, dass vor dem Schließen der Tür überprüft wird, dass sich kein Mitarbeiter in der Einheit aufhält. Zu diesem Zweck begab sich der Bediener bis an das Ende der Bestrahlungseinheit und drückte einen Knopf, mit dem diese Kontrolle bestätigt wird. Nach Abschluss des Vorgangs verließ er die Einheit und schloss die Tür.
Einige Zeit später litt dieser Mitarbeiter unter Übelkeit und Erbrechen, brachte dies jedoch nicht mit seiner Intervention in der Bestrahlungseinheit in Zusammenhang.
Ungefähr drei Wochen später klagte er bei seinem Betriebsarzt über Haarausfall, was auf eine Verstrahlung hindeutete. Die sofort durchgeführte Blutuntersuchung ergab einen starken Verdacht auf Verstrahlung mit einer Strahlendosis von bis zu 4 Gray.
Am 31. März 2006 wurde der Mitarbeiter in ein französisches Krankenhaus verlegt, das auf die Behandlung verstrahlter Personen spezialisiert ist. Es wurde eine Ganzkörperbestrahlung bestätigt, und die von dem Betriebsmitarbeiter aufgenommene Dosis wurde auf 4,4 Gray bis 4,8 Gray veranschlagt.
Während der Untersuchung stellte sich heraus, dass vier weitere Mitarbeiter vor Ort waren, als die Alarme der externen Detektoren ausgelöst wurden.
Bei der Überprüfung der Dosimeter dieser Personen wurde keine abnormale Exposition festgestellt. Diese vier Mitarbeiter wurden dennoch einer Blutuntersuchung unterzogen. Es wurden keine Anomalien festgestellt.
Dieser Strahlenunfall wurde in Stufe 4 der INES-Skala eingestuft.
Ursachen des Unfalls
Die Haupthypothese in Bezug auf die Unfallursache ist ein Versagen des hydraulischen Steuersystems, das in der GAMMIR II-Einheit oszillierende und unbeabsichtigte Bewegungen der radioaktiven Quelle verursacht hat, wodurch diese ihre Position am Boden des Wasserbeckens verließ und an die Oberfläche stieg. Diese Bewegungen könnten durch Interferenzen zwischen den Hydrauliksystemen der beiden Anlagen GAMMIR I und GAMMIR II verursacht worden sein.
Maßnahmen der FANK
Nach den ersten Untersuchungen am 31. März und 1. April 2006 beschloss die FANK, die beiden Bestrahlungseinheiten GAMMIR I und GAMMIR II amtlich zu versiegeln.
Aufhebung der amtlichen Versiegelung
Am 15. April 2006 beschloss die Agentur, zunächst die amtliche Versiegelung der Bestrahlungseinheit GAMMIR I aufzuheben. Nachdem an der Anlage Änderungen vorgenommen wurden, um das Sicherheitsniveau zu erhöhen, beschloss die FANK in einem zweiten Schritt am 23. Juni 2006, auch die amtliche Versiegelung der Bestrahlungseinheit GAMMIR II aufzuheben. Das Unternehmen Sterigenics erhielt damit die Erlaubnis, alle seine Aktivitäten wieder aufzunehmen.